04.05.2022 •

Der Wasser-Risiko-Check – ein Online-Beratungstool für die Überflutungsvorsorge

Marlene Willkomm, Frauke Kraas, Lea Steyer

Dass extreme Wetterereignisse kein Phänomen einer ­fernen Zukunft mehr sind, ist spätestens seit dem Starkregen- und Hochwasser­ereignis im Sommer 2021 in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bekannt. Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln, AöR (StEB Köln) widmen sich seit Jahren intensiv den Aufgaben der Überflutungsvorsorge auf dem Kölner Stadtgebiet, um Ge­fahren zu minimieren und Schäden einzugrenzen. Neben dem klassischen technischen Hochwasserschutz entlang des Rheins gehören vor allem die Überflutungsvorsorge und das Hoch­wasser­management zu den Aufgaben der StEB Köln. Bevor man als Kommune oder als Privatperson technischen Hochwasserschutz oder Überflutungs­vorsorge betreibt, ist es wichtig zu wissen, wo das Wasser bei welchem Wetterereignis steht. Aus diesem Grund haben die StEB Köln die ersten Hochwassergefahrenkarten im Internet schon 2004 veröffentlicht, ohne dass es dazu eine rechtliche Aufforderung gegeben hat. Seit 2015 gibt es zudem sogenannte Grundhochwassergefahrenkarten und seit 2017 sind Starkregengefahrenkarten hinzugekommen. Mit Hilfe dieser Karten wird die Sensibilisierung sowohl der Kommune als auch der Bevölkerung auf die verschiedene Überflutungsgefahren vorangetrieben.

Ergebnisübersicht eines Fragebogens
Ergebnisübersicht eines Fragebogens

Von zentraler Wichtigkeit für eine funktionierende Überflutungsvorsorge ist, dass diese als Gemeinschaftsaufgabe gedacht und verstanden werden muss. Somit ist nicht nur die Umsetzung des technischen Hochwasserschutzes entlang von Flüssen und Bächen, sondern auch die Umsetzung privater Objektschutzmaßnahmen von einer essentiellen Bedeutung in der Überflutungsvorsorge. Jeder hat die Pflicht sein Eigentum vor Überschwemmungen zu schützen (nach Wasserhaushaltsgesetz). Doch wie gelangen Informationen über Überflutungsgefährdung und Schutzmaßnahmen für die privaten Objektschutzmaßnahmen an die BürgerInnen? Gibt es Möglichkeiten, dies automatisiert und per Online-Tool zur Verfügung zu stellen? Auf diese Fragen wurden Antworten gesucht - und eine Antwort ist der Wasser-Risiko-Check.

Das Tool

Doch die sehr gute Datengrundlage, die für das Kölner Stadtgebiet vorliegt, unsere Leitfäden, Öffentlichkeitsveranstaltungen, Wander­ausstellungen, Social Media und Megalight-Kampagnen allein reichen nicht aus, um die Notwendigkeit privater Überflutungsvorsorge (Objektschutz) in das allgemeine Bewusstsein zu bringen. Gespräche mit BürgerInnen zeigen, dass die Betroffenen ihre Gefahrenlage oft nicht kennen und vor vielen Fragen stehen, wenn es um die Auswahl der passenden Objektschutzmaßnahmen für ihr Zuhause geht. Um diesen Fragen auch außerhalb von persönlichen Gesprächen nachzugehen, haben die StEB Köln gemeinsam mit der Firma geomer das Online-Beratungstool Wasser-Risiko-Check entwickelt. Der Wasser-Risiko-Check kombiniert die Kölner Überflutungsgefahrenkarten sowie Leitfäden und das Fachwissen der Mitarbeitenden der StEB Köln, um eine erste Hilfestellung in der Maßnahmenplanung zu leisten. 

Der Wasser-Risiko-Check beginnt mit einer optionalen Adresseingabe und geht in einen einfachen Fragebogen über. Der Fragebogen beschäftigt sich in aktuell 29 Fragen mit den Themenfeldern Oberflächenabfluss, Grund­stücks­entwässerung, Fließgewässer, Topographie, Flächennutzung, Bebauungsstruktur und Sickerwasser. Die einzelnen Fragen und ­Themenblöcke sind mit Abbildungen und zusätzlichen Informationen versehen, damit der thematische Hintergrund ­verständlich wird und die Fragen leichter zu beantworten sind. Nach Abschluss werden die erfragten Informationen automatisch, über eine vorher erstelle Bewertungsmatrix, verarbeitet, so dass von den insgesamt 41 Objektschutzmaßnahmen eine Vorauswahl an Maßnahmen ausgegeben wird. 

Dies kann z. B. der Abschluss einer Elementarversicherung sein oder Barrieren vor den Fenstern und Türen. Die Maßnahmen werden durch Graphiken und Videos erläutert. Wenn zu Beginn des Wasser-Risiko-Checks eine Adresseingabe erfolgt ist, erhalten Interessierte zusätzlich zu den passenden Maßnahmenempfehlungen auch eine konkrete Auswertung zur Gefahrenlage ihres Grundstücks bei Hochwasser, Grundhochwasser und Starkregen. Diese Auswertung erfolgt über eine vorher durchgeführte Berechnung auf Grundlage der Überflutungsgefahrenkarten. Mit dem Wissen über die Gefahrenlage und die möglichen Objektschutzmaßnahmen können BürgerInnen privaten Objektschutz gezielter angehen und sich auf zukünftige Wetterextreme vorbereiten.

Informationen zur Überflutungsvorsorge

In einer Recherche wurden die Angebote oder Tools im Internet zu den Schlagworten „Haus vor Hochwasser schützen“ oder „Haus Hochwasserschutz“ erhoben (Tab. 1 mit einer nicht repräsentativen Übersicht über bestehende Informationsangebote). Broschüren und Flyer, die die StEB Köln zu diesen Themen erstellt haben, sind auf der Internetseite der StEB Köln zu finden
(www.steb-koeln.de).

Bei der Recherche fällt auf, dass oft zwar die Informationen zur Gefahrenlage (Gefahrenkarten), oder wie man sich schützen kann oder Notfallpläne aufstellt, vorliegen, aber es fehlen eine individuelle Einschätzung und Angaben dazu, welche Objektschutzmaßnahmen für diese Einschätzung ergriffen werden können. Ein Problem ist, dass die allgemeine Verhaltensvorsorge immer gilt und nur technische Objektschutzmaßnahmen individuell aufgestellt werden müssen.

Die Kombination aus den Überflutungsgefahrenkarten, den Leitfäden und dem Fachwissen der Mitarbeitenden der StEB Köln unterstützt dabei, eine erste Hilfestellung in der Maßnahmenplanung zu bekommen. Nach der obigen Recherche ist der Wasser-Risiko-Check einzigartig. Bei den dort aufgelisteten Angeboten wird überwiegend auf die Gefahrenkarten, auf den Kompass Naturgefahren/Hochwasser des GDV, den Hochwasserkompass, die Hochwasserschutzfibel und Beratungen durch die Verbraucherzentralen verwiesen.

Adaptation auf Städte auch im ­asiatischen Raum

Der Wasser-Risiko-Check eignet sich sehr gut, um auch in anderen deutschen Städten genutzt zu werden, da wegen der europäischen Hochwassermanagementrichtlinie seit 2013 flächendeckend Hochwassergefahrenkarten für Risikogewässer vorliegen. Starkregengefahrenkarten und Grundwasserkarten liegen zwar noch nicht flächendeckend in Deutschland vor, allerdings stellen immer mehr Kommunen und Bundesländer diese Karten zur Verfügung (z. B. NRW die Starkregenhinweiskarte und in Bayern die Hinweiskarte hohe Grundwasserstände). Somit kann eine Analyse der Gefahrenlage und in dem nächsten Schritt, mit Hilfe des Fragebogens, eine erste Hilfestellung für die Maßnahmenplanung stattfinden.

Innerhalb des Rahmenprogramms „Förderung für nachhaltige Entwicklung (FONA)“ und der Förderlinie „Nachhaltige Entwicklung urbaner Regionen (SURE-NUR)“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das vierstufige F&E-Vorhaben „Management multipler Risiken bei Extremereignissen in schnell wachsenden (Mega)Städten Myanmars“. Das Forschungsprojekt widmet sich der Katastrophenvorsorge und der Reduktion der Folgen von Naturrisiken in schnell wachsenden Städten, speziell der Megastadt Yangon, Myanmar. Ziel ist es, die negativen sozio-ökonomischen und persönlichen Folgen von Naturkata­strophen für StadtbewohnerInnen und Institutionen zu reduzieren. Zudem werden wissenschaftliche Konzepte zur Erhaltung und Sicherstellung der Grundversorgung entwickelt und vor Ort umgesetzt. Deutsche Projektpartner sind das Geographische In­stitut der Universität zu Köln, das Institut für Schutz und Rettung der Berufsfeuerwehr der Stadt Köln und die Hochwasserschutzzentrale der StEB Köln in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Komitee für Katastrophenvorsorge e. V.. Im Rahmen des Projektes soll auch die Frage beantwortet werden, welche Informationen, Daten und Tools im asiatischen Raum verfüg- und nutzbar sind, im Projekt­rahmen speziell für Myanmar. Dabei spielen, wie in Deutschland, auch drei zentrale Aspekte eine Rolle: 

1. Welche Datengrundlage, mit welcher regionalen Auflösung, besteht?

2. Wie können die Informationen an Personen / Haushalte und Institutionen vor Ort übermittelt werden? Und 3. Wie werden die Personen / Haushalte vor Ort zur Umsetzung der privaten Objektschutzmaßnahmen motiviert? Der Wasser-Risiko-Check soll dabei unterstützen, diese Fragen zu beantworten. Hierfür ist es wichtig, dass das Tool nicht nur auf die Gegebenheiten und Datengrundlagen vor Ort angepasst wird, sondern auch auf die spezifischen sozio-kulturellen Erfordernisse, z. B. vieler unterschiedlicher Sprachen, ethnischen Gruppen und Religionen. Zudem soll untersucht werden, ob und wie weit dies ein gutes, passendes Instrument für die Sensibilisierung der Einwohnenden auch im asiatischen Raum sowie in Entwicklungsländern ist.

Fazit

Der Wasser-Risiko-Check wurde 2020 fertiggestellt und ist seit Juni 2020 online aufrufbar. Ziel des Wasser-Risiko-Checks ist es, ein Online-Beratungstool für BürgerInnen zur Verfügung zu stellen. Neben der privaten Nutzung von Wohngebäuden bezieht sich der Wasser-Risiko-Check auch auf die gewerbliche Nutzung im kleinen Rahmen. Auch Architekt/in, Ingenieur/in oder Handwerker/in, die für Private tätig sind, können sich mit dem Tool informieren. Größere Industrie- und Gewerbenutzungen oder sensible Objekte sowie kritische Infrastrukturen sind von einer Überprüfung mit dem Wasser-Risiko-Check ausgeschlossen, da dort eine sehr spezifische Analyse und Beratung notwendig ist.

Die Zugriffsstatistik zeigt erwartungsgemäß, dass mehr Zugriffe nach Hochwasser- oder Starkregenereignissen zu verzeichnen sind. Es verdeutlicht, dass das Interesse leider stark von der räumlichen und zeitlichen Betroffenheit abhängig ist. Außerdem kann man anhand der Zugriffszahlen erkennen, dass Werbekampagnen zu diesem Thema zu einem kurzfristigen Anstieg der Klickzahlen führen.

Der Wasser-Risiko-Check wird ständig optimiert, so dass die Nutzerfreundlichkeit des Tools kontinuierlich erhöht wird. Die Anwendung soll kürzer und verständlicher sein. Außerdem sollen die Maßnahmenvorschläge zunehmend gezielter und passender bereitgestellt werden. Eine automatische Auswertung unterliegt leicht Fehlern, da die Gefahrenlage eines Gebäudes sehr individuell ist. Der Wasser-Risiko-Check dient somit als erste Hilfestellung, die Ergebnisse sollten allerdings mit einem Fachbetrieb vor Ort besprochen werden.

Auch wenn viele Informationen, analog oder digital (siehe Tab. 1) zur Verfügung stehen, ist es nach wie vor ein großes Problem, die Personen zu erreichen, so dass private Vorsorge betrieben wird. Oft fehlt das Verständnis für die Umgebung des Hauses, auch wenn man z. B. den Fluss vom Grundstück aus sehen kann. Man möchte sich nicht gerne mit dem Thema Wetterextreme auseinandersetzen, auch wenn schon einfache Maßnahmen, ­z. B. der Abschluss einer Elementarschadenversicherung oder die Montage eines Rückstauschutzes, große Wirkung haben können. Die Aufgabe der Überflutungsvorsorge ist und bleibt eine Daueraufgabe der Kommunen und der Wasser-Risiko-Check unterstützt bei der Umsetzung dieser Aufgabe. 


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