THW-Einsätze in der Corona-Krise

Neue Infrastruktur und logistische Hilfe

Raphael Scheibler, Michael Kretz

THW/Ralf Kosse

Das Leben stand im März und April in Deutschland nahezu still, denn die Bekämpfung der Corona-Pandemie machte radikale Maßnahmen notwendig. Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) spielte als technisch-logistische Einsatzorganisation eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Virus. Bis zu 1.200 haupt- und ehrenamtliche THW-Kräfte aus allen acht Landesverbänden waren täglich im Einsatz, um die vielschichtigen Einsatzaufträge zu bearbeiten, die im Zusammenhang mit Corona entstanden: Sie errichteten Hilfskrankenhäuser, verteilten Schutzausstattung, bauten Hilfskonstruktionen, übernahmen logistische Aufgaben und berieten Krisenstäbe. Und die Einsätze laufen weiter.

Ein Schwerpunkt in den ersten vier Monaten nach Ausbruch der Pandemie in Deutschland lag bei der Logistik: Viele Länder, Landkreise und Kommunen standen vor der Herausforderung, große Mengen an Schutzausstattung zu beschaffen und in kürzester Zeit an Krankenhäuser, Ämter oder Pflegedienste zu verteilen. Das THW errichtete und betrieb dafür auf Anforderung Logistikstützpunkte. Die Helferinnen und Helfer nahmen tausende Paletten entgegen, lagerten diese ein und bereiteten sie anschließend für die Verteilung vor. Zugleich koordinierten sie den Transport bis zum Empfänger mit eigenen Kräften. Ein wichtiges Zahnrad im System stellten zudem die Transportkapazitäten des THW dar. Dabei stand den ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräften vom PKW bis zum LKW mit Ladebordwand eine große Palette an flexibel einsetzbaren Fahrzeugen zur Verfügung, die entsprechend des Auftrages abgerufen wurden. Insgesamt waren bisher in ganz Deutschland 466 von bundesweit 668 THW-Ortsverbänden in die Bekämpfung der Pandemie eingebunden.

Insbesondere in der Anfangsphase galt es in den Städten und Landkreisen eine große Anzahl an Tests auf das neue Virus durchzuführen. Gemeinsam mit dem THW errichteten diese zum Teil sogar eine komplett neue Infrastruktur, um die bestehenden Systeme nicht zu überlasten. Der Einsatz von THW-Kompetenzen ermöglichte es, schnell die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Das THW half dabei, mobile Testzentren und Hilfskrankenhäuser zu errichten und zu betreiben, sodass diese innerhalb weniger Tage funktionsfähig waren. Die ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräfte lieferten Container, bauten Zelte auf und schlossen diese an die Strom- und Wasserversorgung an. Scheinwerfer aus THW-Beständen ermöglichten einen flexiblen Tag- und Nachtbetrieb an den Einsatzstellen. Durch die schnelle Hilfe standen innerhalb kürzester Zeit zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung, um Tests in den oft als „Corona-Drive-In“ bezeichneten Zentren durchzuführen.

An Krankenhäusern und Teststellen bauten THW-Helferinnen und -Helfer...
An Krankenhäusern und Teststellen bauten THW-Helferinnen und
-Helfer deutschlandweit Zelte und die dazugehörige Infrastruktur auf.
Quelle: THW/Yann Walsdorf

Logistikzentrum für den Freistaat Bayern

Das THW bewies in der Corona-Krise erneut seine Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bei länger andauernden Einsatzlagen. Zum Beispiel betrieb der THW-Landesverband Bayern ab Mitte März für dreieinhalb Monate für ganz Bayern die Zentrallogistik von Schutzgütern und leitete unter anderem ein Logistikzentrum in der Nähe von München. Tag für Tag brachten Speditionen in ihren LKWs Material, welches von den Landkreisen und Kommunen dringend gebraucht wurde und von den Einsatzkräften direkt kommissioniert wurde. Zeitweise verließen täglich mehr als 500 Paletten Schutzausstattung, verladen auf THW-Fahrzeugen, den zentralen Standort. Diese machten sich auf den Weg zu den Empfängern quer durch den Freistaat. Mehr als zehn Millionen OP-Masken und 1,4 Millionen FFP2-Masken wurden auf diese Weise verteilt. Von handelsüblichen Verpackungsgrößen beispielsweise für Einmal-Handschuhe, Tausenden Kartons mit Schutzmasken bis hin zu 1000-Liter-Tanks mit Desinfektionsmitteln – jeder Auftrag benötigte die entsprechende Sorgfalt.

Mit sinkenden Infektionszahlen begannen die Länder und Kommunen auch mit Lockerungsmaßnahmen. Um diese umzusetzen, griffen sie auf die handwerklichen Fähigkeiten der Helferinnen und Helfer zurück: So minderten provisorische Spuckschutzwände aus einer Holzkonstruktion und Acrylglas in Verwaltungseinrichtungen der Stadt Magdeburg die Ansteckungsgefahr und ermöglichten eine schnelle Wiederaufnahme des Publikumsverkehrs innerhalb der Gebäude. In Mainz und Berlin installierten THW-Kräfte beispielsweise mobile Waschstationen auf Schulgeländen. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer legten Leitungen für Zu- und Abwasser, verschraubten diese an den Holzkonstruktionen und schlossen sie an das Wassernetz an. In weiteren Einsätzen montierten sie eine große Anzahl an freistehenden Halterungen für Desinfektionsmittel.

Mit entsprechenden Werkzeugen ausgestattet hatten die Einsatzkräfte des Ortsverbandes Markt Schwaben innerhalb kurzer Zeit Raumabtrennungen aus Holz errichtet sowie zusätzliche Türen eingebaut. Auf diese Weise entstanden in zahlreichen Alten- und Pflegeheimen im bayerischen Landkreis Ebersberg Quarantänebereiche innerhalb der Gebäude.

Care-Pakete für Menschen in Quarantäne

Seit Juni ist die Unterstützung des THW immer wieder gefragt, wenn es zu größeren lokalen Corona-Ausbrüchen kommt. In Berlin-Neukölln versorgten THW-Einsatzkräfte hunderte Haushalte in einem Wohnblock im Auftrag der Bezirksverwaltung mit so genannten „Care-Paketen“. In Gütersloh waren nach einem lokal begrenzten starken Anstieg der Infiziertenzahlen hunderte THW-Helferinnen und -Helfer im Einsatz, um Menschen in Quarantäne zu versorgen. Dabei wurden 4.600 Pakete mit Lebensmitteln an die betroffenen Haushalte verteilt. Die mobilen Test-Teams des Landkreises verpflegten die Köchinnen und Köche des THW ebenfalls. Außerdem unterstützte das THW den Aufbau und Betrieb eines Abstrichzentrums. Da das Testzentrum in einer ehemaligen Kaserne eingerichtet war, sorgte die Fachgruppe Trinkwasserversorgung mit einer Trinkwasseraufbereitungsanlage für sauberes Wasser in den Sanitäranlagen.

Während der Hochphase der Pandemie setzte sich das THW auch für die Versorgung bedürftiger Menschen ein, nachdem zahlreiche ältere Ehrenamtliche der gemeinnützigen Tafeln ihre Arbeit aus Selbstschutz einstellen mussten. THW-Einsatzkräfte holten über mehrere Wochen frische Lebensmittel von Supermärkten ab und belieferten damit die Berliner Tafel. Auch die Landshuter Tafel unterstützte das THW mit Transportfahrten und bei der Verteilung der Lebensmittel. In Münster bereiteten THW-Helferinnen und -Helfer für obdachlose Menschen, die von den Einschränkungen besonders betroffen waren, Verpflegung zu und verteilten diese an einer Ausgabestelle an rund 130 Personen. Die THW-Einsatzkräfte hatten die Verpflegungsstelle so errichtet, dass sowohl das Personal als auch die Bedürftigen die nötigen Sicherheitsabstände einhalten konnten.

Ehren- und hauptamtliche THW-Einsatzkräfte
Ehren- und hauptamtliche THW-Einsatzkräfte koordinierten bundesweit in Stäben die Einsätze der Ortsverbände sowie die Logistik der Schutzausstattung.
Quelle: THW/ Michael Matthes

Bufdis unterstützen THW-Stäbe

Auch einige der rund 340 Bundesfreiwilligendienstleistenden (Bufdis), die in THW-Dienststellen eingesetzt werden, unterstützten während der Corona-Pandemie den Einsatz. Bufdi Sören Rodewig erhielt in Hannover im Leitungs- und Koordinierungsstab (LuK-Stab) des THW-Landesverbands Bremen Niedersachsen einen besonderen Eindruck von der Aufgabenvielfalt des THW. Er war zum Beispiel dafür zuständig, das Einsatztagebuch zu führen, Besprechungsprotokolle zu schreiben oder die Wetterkarte aktuell zu halten. Rund 50 Bufdis unterstützten bisher bundesweit die LuK-Stäbe, die ab Mitte März in der THW-Leitung, den Landesverbänden und den Regionalstellen eingerichtet waren und im Schichtbetrieb betrieben wurden. Die Einsatzkräfte arbeiteten dort in bis zu sechs Sachgebieten mit fest definierten Aufgaben unter einheitlicher Leitung. Die Arbeitsschwerpunkte lagen darin, den Einsatz der THW-Einheiten aus den Ortsverbänden zu koordinieren und gegebenenfalls überregionale Anforderungen abzudecken. Weiter wurden in den LuK-Stäben auch die THW eigenen internen Corona-Maßnahmen abgestimmt und die Umsetzung eingeleitet.

In der Corona-Krise bewährt hat sich die bereits seit vielen Jahren praktizierte Einbindung von THW-Fachberaterinnen und -Fachberatern in die Einsatzstäbe von Ländern, Landkreisen und Kommunen. Diese dienen als kompetente Ansprechpersonen mit vermittelnder Funktion und können zuverlässig das gesamte Einsatzspektrum des THW aufzeigen. Zu Spitzenzeiten unterstützte das THW auf diese Weise deutschlandweit 170 Krisenstäbe.

THW koordiniert Verteilung der Schutz­ausstattung für Bundesressorts

Bis Ende des Jahres 2020 wird die sogenannte „Zentrale Koordinierungsinstanz Logistik“ (zKiL) des THW voraussichtlich im Pandemie-Einsatz sein. Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat koordinieren die Logistik-Expertinnen und -Experten aus den Stabsräumen der THW-Leitung in Bonn heraus den Transport von Schutzausstattung an die Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden. Sie halten Kontakt zu den zuliefernden Unternehmen, verwalten die Lagerbestände, stimmen Anlieferpunkte ab und erstellen nach einer Prioritätenliste Einsatzaufträge für die Helferinnen und Helfer, die den Transport übernehmen. Das THW-eigene Logistikzentrum in Heiligenhaus nahe Ratingen dient dabei als Lager- und Umschlagplatz. Für die Region Berlin betreibt das THW durch den zuständigen Landesverband einen Logistikstützpunkt, der eine schnellere Weiterverteilung an die Bundesbehörden durch THW-Einsatzkräfte ermöglicht.

Insgesamt rund 130 Dienststellen des Bundes erhalten Ausstattung über das THW. Seit dem Start von zKiL Ende März wurden 19,3 Millionen OP-Masken, 17,6 Millionen Einmal-Handschuhe, 15,4 Millionen FFP2-Masken und 695.000 Liter Desinfektionsmittel ausgeliefert (Stand: 20. Juli 2020). Außerdem werden auch Schutz­anzüge, Vollgesichtsmasken und Schutzbrillen weiter verteilt.

Kompetenzen im Bereich Logistik werden ausgebaut

Zu den Fähigkeiten des THW gehört unter anderem die technische Hilfe im Bereich der Infrastruktur sowie die Unterstützung in den Bereichen Führung/Kommunikation und Logistik. Die THW-Fachgruppen können kurzfristig Notunterkünfte errichten und betreiben, sie sorgen für die Elektroversorgung und verlegen Wasser- und Abwasserleitungen. Die Kompetenzen in der Holz-, Metall- und Gesteinsbearbeitung können zielgenau und in großen Teilen autark nach den Bedürfnissen der anfordernden Behörden eingesetzt werden.

Dabei werden die Kompetenzen laufend an die Gefährdungslage angepasst. Größere Neuerungen sind im Bereich der Logistik geplant. Deren Umsetzung ist in diesem Jahr bereits gestartet: Auf Basis von Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen sowie notwendigen Anpassungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben werden die Fachgruppen Logistik deutlich aufgewertet. Zukünftig werden im THW 66 Fachzüge Logistik existieren, die aus einer eigenen Führungskomponente, der Fachgruppe Logistik Materialwirtschaft und der Fachgruppe Logistik Verpflegung bestehen. Neben einem umfangreicheren Personal- und Technikansatz werden dann zusätzliche Aufgaben wie die Verbrauchsgüterversorgung übernommen. Zudem werden bundesweit acht Trupps „Schwerer Transport“ aufgebaut, die künftig mit Sattelzügen den Transport von großen Mengen an Gütern sowie Gefahrgütern übernehmen. 

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