Gefahrenanalyse, vorbereitende Planung des Ressourceneinsatzes und realitätsnahe Übung sind Schlüsselfaktoren im vorbeugenden Katastrophenschutz. Die Ergebnisse von Übungen können Mängel in der Ausstattung und der taktischen Vorbereitung aufzeigen und für weitere nachhaltige Vorbereitung einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Versorgung von Opfern und Verletzten stellt meistens die wesentliche Leistung dar und ist somit ein Schlüsselelement für die präventiven Planungen. Die Darstellung von Verletzungen oder Erkrankungen wird herkömmlich durch Laiendarsteller simuliert. Hier ist häufig die fehlende Realität in einigen Szenarios zu bemängeln. So können selten erforderliche medizinische Interventionen real durchgeführt werden, der Material-, Personal- und Zeitbedarf bleiben unsicher. Bestimmte Lagen oder die technische Rettung können die Gesundheit des freiwilligen und motivierten Darstellers gefährden. Diese fehlende realitätsnahe Darstellungsfähigkeit kann mittlerweile durch die Nutzung von modernen Patientensimulatoren geschlossen werden.
Patientensimulatoren
Die neue Generation von Patientensimulatoren ist robust, drahtlos und für den Einsatz im Freien konzipiert. Diese Hightech-Mannequins (der Begriff „Puppen“ ist nicht mehr zeitgemäß) simulieren die Physiologie und die Pathophysiologie des Menschen und reagieren auf die Interventionen nahezu identisch.
Ein Trainer beobachtet aus der Distanz das nun standardisierte Szenario und wertet dieses unter Berücksichtigung von Crew-Ressource-Management (CRM) und Simulationsdebriefing bei Bedarf aus. Fehlende oder falsche Maßnahmen gefährden nun nachvollziehbar – wie im richtigen Alltag – „das Leben des Patienten“!
Die gesamte Rettungskette kann nun vom Ort der Verletzung bis zum Operationssaal realitätsnah dargestellt, verfolgt und ausgewertet werden. Dies ist möglich, da diese ca. 75 kg schweren Simulatoren bis zu acht Stunden und gegebenenfalls darüber hinaus betrieben werden können. Der zielgerichtete Einsatz von Personal, Material und Transportmittel kann somit überprüft werden. Engpässe und Fähigkeitslücken in den Einsatzplänen können im Vorfeld erkannt werden. Entscheidungsträger können mit „Zahlen-Daten-Fakten“ ihre weiteren Schritte und Strategien evaluieren.
Crew-Ressource-Management
In einem komplexen Katastrophenszenario stellt die Kommunikation im Team während der Versorgung und Rettung eines Verletzten eine weitere Herausforderung dar. Gerade unter schwierigen Bedingungen geraten die Helfer schnell an die individuellen physischen und psychischen Grenzen. Hier kann ein Teamtraining unter Nutzung von CRM-Kriterien unter Nutzung eines Patientensimulators wertvolle Erkenntnisse für jeden Beteiligten liefern. Diese Erfahrung fördert im Realeinsatz die Eigen- und die Patientensicherheit.
Einige Simulationsmodelle sind wasserabweisend und können durch eine ABC-Dekontaminationseinheit geschleust werden, während durch das eingesetzte Personal unter Vollschutz lebensrettende Interventionen durchgeführt werden. Die unbeabsichtigte Verschleppung von radioaktiven, chemischen oder biologischen Agenzien kann zeitgleich durch die Nutzung von UV-Licht nachweisbaren Farbflüssigkeiten geübt werden. Der gezielte Austausch von Laiendarstellern gegen Patientensimulatoren kann einen Betrag zur Realitätssteigerung eines Übungsszenarios leisten.
Lebensrettende Diagnostik und Maßnahmen können unter realistischen Bedingungen geübt und durchgeführt werden (z. B. Anlegen von Tourniquets oder i. V.-Zugängen, Atemwegsicherung, Pneumothoraxnadeldekompression, …). In der Militärmedizin werden so die Konzepte des TCCC (Tactical Combat Casulty Care – „platinum 10 minutes“) seit einigen Jahren Ersthelfern erfolgreich vermittelt. Die Inhalte des zivilen PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) sind bei der Konzeption einiger Simulatoren ebenfalls berücksichtigt worden.
Die Evakuierung und der Transport sind aufgrund der realitätsnahen Größe und des Gewichts von 75 kg eine physische Herausforderung für die Retter. Gerade deswegen werden die Übungen für das eingesetzte Personal „echter“.
Der Einsatz und die Integration von modernen Patientensimulatoren in Katastrophenschutzübungen erfordern einige Vorbereitung. Ein Trainer / Bediener steuert der Simulator gemäß des Übungs- bzw. des Ausbildungsziels. Ein Szenario unter Einbeziehung der Lage und des Lageverlaufs muss entwickelt und dem SimTeam mitgeteilt werden. Abhängig von der Dauer und der Art des Verletzung muss der Simulator während des Verlaufs technisch gewartet oder befüllt („Blut“, geladene Akkus) werden.
Die moderne Software erlaubt es, alle Maßnahmen und Interventionen zu evaluieren und bei Bedarf ein individuelles Feedback zu geben. Die Hypothese, dass ein erfolgreiches Simulationstraining dem Auftreten eines PTSD positiv entgegenwirkt, ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht.
Fazit
Die Nutzung von modernen Patientensimulatoren zur Ausbildung und in Übungen, u. a. von Großschadensereignissen, ist ein wertvoller und vielschichtiger Beitrag zur Patientensicherheit und zum präventiven Katastrophenschutz.
Crisis Prevention 2/2015
Dr. Burkhard Milde
Immersive Simulation & Training
Herminenstr. 3
31675 Bückeburg
E-Mail: milde@immersive-simulation.training