Trinkwasser – unser wichtigstes Lebensmittel

Prof. Frank Reininghaus

THW

Dieser Artikel konzentriert sich auf das unbeabsichtigte Einbringen von Schad-/Giftstoffen in die örtliche Wasserversorgung, beispielsweise durch Hochwasser oder Nutzung ungeeigneter Wasserrohre, es wird jedoch auch die vorsätzliche, die beabsichtigte Kontamination von Trinkwasser betrachtet. Am Beispiel der Großstädte Berlin und Hamburg wird die (teils kontinuierliche) Prüfung der Wasserqualität aufgezeigt. Die beabsichtigte physische Zerstörung von Trinkwasserreservoirs beispielsweise durch Sprengung eines Staudamms oder der (oberirdischen) Wasserleitungen wird nicht behandelt.

Eine (ggf. kurzzeitige) Unterbrechung der Trinkwasserversorgung oder eine sichtbare Verschmutzung des Trinkwassers werden von der Bevölkerung umgehend registriert, in der Regel wird zeitnah darauf hingewiesen, gelegentlich wird sie sogar angekündigt, z. B. bei Wartungsarbeiten am Wasserversorgungsnetz. Abhilfe ist leicht zu bewerkstelligen, es werden Wasservorräte angelegt für  

  • Trinkwasser (abgefülltes (Mineral-)Wasser)
  • Brauchwasser (Eimer und Kanister etwa für Toilettenspülung und Handreinigung).

Weitere wasserverbrauchende Aktivitäten (Wäsche waschen, Hausputz, Gartenbewässerung) werden vorgezogen oder aufgeschoben. Was passiert jedoch bei einer unbeabsichtigten Kontamination von Trinkwasser, die im Einzelfall nicht optisch oder olfaktorisch wahrnehmbar ist?

Die Vereinigten Staaten von Amerika

Im Jahr 1993 hat ein Ausbruch von Cryptosporidium in Milwaukee, Wisconsin, nach verschiedenen Schätzungen zwischen knapp siebzig und mehr als hundert Menschen getötet und die Gesundheit von über 400.000 Menschen beeinträchtigt. Die Kontamination des örtlichen Trinkwassers wurde verursacht durch die Kombination von starken Regenfällen und überlaufenden Güllebehältern, die die Flüsse und die vor Milwaukee liegende Bucht des Lake Michigan verunreinigten.

Das örtliche Abwassersystem war nicht in der Lage, diese Verunreinigung durch Cryptosporidium zu entfernen. Das hat durch teilweise langanhaltende Diarrhöe zu den hohen Opferzahlen geführt. Der Ausbruch von Cryptosporidium in Milwaukee ist bis dato die größte Epidemie in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Ein weiteres, sehr aktuelles Beispiel zur Thematik „Kontamination von Trinkwasser“ findet sich ebenfalls in den Vereinigten Staaten in Flint, Michigan. In Flint wurde in den Jahren 2012 – 2013 ein Wechsel des Frischwasseranbieters vom Detroit Water and Sewerage Department (DWSD) zur Karegnondi Water Authority (KWA) beschlossen. Dies sollte über einen Zeitraum von 25 Jahren der Region um Flint eine Summe von 200 Mio. US-Dollar ersparen. Am 25. April 2014 wurde als Übergangslösung eine Pipeline in Betrieb genommen, die den örtlichen Wasserwerken Trinkwasser aus dem Flint River zur Verfügung stellt, wie auch schon bis in die 1960er Jahre. 

Jedoch häuften sich sehr schnell nach der Umstellung der Wasserversorgung die Beschwerden der Bevölkerung über die mangelhafte Qualität des Trinkwassers. Dies wurde zunächst von den Offiziellen der Stadt geleugnet, gleichwohl hatten Messungen bestätigt, dass im Trinkwasser extrem hohe Mengen an Blei, Trihalomethanen (THM), Legionellen und weiteren Schadstoffen enthalten waren. 

Diese Kontamination war unter anderem darauf zurückzuführen, dass dem Trinkwasser nicht die notwendigen Additive zugesetzt wurden, die das Auslaugen des Bleis aus den überalterten Wasserrohren in das Trinkwasser hätten verhindern können.

Die Angelegenheit um das Trinkwasser in Flint erregte landesweite Aufmerksamkeit. Am 16. Oktober 2015 wurde die Wasserversorgung der Stadt vom Flint River getrennt und wieder an die vorherige Versorgungsgesellschaft (zwischenzeitlich umbenannt in Great Lakes Water Authority (GLWA)) angeschlossen. Dennoch musste der Gouverneur von Michigan, Rick Snyder, und kurz danach auch Präsident Barack Obama im Januar 2016 den Notstand für die Region um Flint ausrufen. Zur Zeit werden die veralteten bleiernen Wasserrohre in Flint gegen kupferne ausgetauscht, jedoch wird es bei einem Fortschritt „von bis zu 1.000 Wohneinheiten in diesem Herbst“ noch Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis alle betroffenen Leitungen in der Stadt mit rund 100.000 Einwohnern ersetzt sein werden. 

Deutschland

Trotz der Überschwemmungen der letzten Jahre ist die Sensibilität in der Bevölkerung gegenüber der möglichen Bakterien- und Schadstoff­belastung im Trinkwasser immer noch auf einem niedrigen Stand. 

Nur wenige sind sich dessen bewusst, dass durch Hochwasser Klärbecken oder Abwasser führende Behälter und Leitungen überschwemmt werden und zu einer sichtbaren oder auch unsichtbaren Verunreinigung führen können. Auch durch an die Erdoberfläche drückendes Grundwasser können Keime ins Oberflächenwasser gelangen. 

Bereits 2001 verfasste das Klinikum der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem Erftverband Bergheim einen Bericht „zur mikrobiellen Fließgewässerbelastung durch Kläranlagen“, bei dem die Belastungen von Oberflächenwasser mit Kolibakterien und Clostridien im Normalbetrieb betrachtet worden sind. 

Die Liste der möglichen Infektionskrankheiten bei Hochwasser und in Überschwemmungsgebieten ist lang und reicht von 

  • Typhus und Paratyphus
  • über Salmonellosen und Ruhr
  • bis hin zu virusbedingten Durchfallerkrankungen oder Hirnhautentzündungen.

Diese Beispiele aus den USA und aus Deutschland beschreiben die unbeabsichtigte Kontamination von Trink- bzw. Grundwasser durch überlaufende Güllebehälter oder Kläranlagen, veraltete Rohrleitungssysteme oder andere, die teils durch Nachlässigkeit begünstigt, aber niemals beabsichtigt waren.

Bei der Betrachtung einer beabsichtigten, einer vorsätzlichen Kontamination ist davon auszugehen, dass der/die Attentäter (und nichts anderes sind diese Personen) versuchen werden, die Zeitspanne zwischen dem Einbringen der Giftstoffe und der Entdeckung der Kontamination möglichst groß zu halten. 

Wasserwerke und Wasserschutzzonen in Berlin
Abbildung 2: Berliner Wasserwerke und Wasserschutzzonen
Quelle: Berliner Wasserbetriebe

Historische Betrachtung

Das beabsichtigte Vergiften von Trinkwasser hat eine lange Geschichte. In der Literatur finden sich einige historische Beispiele, deren Wahrheitsgehalt jedoch umstritten ist wie beispielsweise im russisch-finnischen Winterkrieg 1939-1940, in dem die Finnen durch Tierkadaver und Kot die Brunnen für die sowjetischen Truppen unbrauchbar gemacht haben sollen, so wie im Ersten Weltkrieg die nur vereinzelt belegte und möglicherweise doch unbeabsichtigte Vergiftung von Trinkwasser in der Operation Alberich (1917-1918).

Andere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit lassen die Bandbreite erahnen, auf welche Art die Kontamination von Frisch-/Trinkwasser zu terroristischen Zwecken genutzt werden kann.

Salmonellose in den Vereinigten Staaten von Amerika

In The Dalles, Oregon, einer Kleinstadt von ca. 15.000 Einwohnern, die direkt am Südufer des Columbia River und somit an der Grenze zwischen Washington State und Oregon liegt, beabsichtigten Mitglieder des religiösen Rajneeshee-Kults im Jahr 1984 die Verunreinigung eines städtischen Wasserversorgungstanks. Im Laufe der Planung bewerteten die Extremisten die Erfolgschancen als zu gering und schwenkten auf die Vergiftung von Salatbars mit Salmonellen in örtlichen Restaurants um, dies resultierte in über 750 Fällen von Salmonellose.

Milzbrand als Drohung in Deutschland

Im Jahr 1973 soll in Deutschland ein Biologe mit der Verunreinigung der Wasserversorgung mit Milzbrand und Botulinum gedroht haben, sofern er nicht einen einstelligen Millionenbetrag erhalten würde. Interessanterweise finden sich Hinweise dazu nahezu ausschließlich in der U.S.-amerikanischen Literatur.

Mögliche Gegenmaßnahmen

Eine Möglichkeit, der Gefahr einer vorsätzlichen Kontamination des Trinkwassers durch Terroristen zu begegnen, ist das System AquaBioTox des Fraunhofer-Instituts, welches „hochempfindliche biologische Mikroorganismen (…) dem Trinkwasser aus dem Hauptwasserstrom“ aussetzt. Die Reaktion der Organismen „wird kontinuierlich von einer Kamera aufgenommen und die Daten werden automatisch online analysiert. Jegliche charakteristischen Veränderungen im Vergleich zu Mikroorganismen im reinen Wasser, beispielsweise hinsichtlich ihrer Vitalität, Bewegung, Färbung oder Leuchtverhalten, werden automatisch angezeigt.“ 

Beispielhaft werden nachstehend die Wasserversorgungsbetriebe der Großstädte Berlin und Hamburg im Hinblick auf die bereits inkorporierte permanente Kontrolle und im Hinblick auf mögliche Gegenmaßnahmen betrachtet, wobei aus nachvollziehbaren Gründen keine detaillierten Standortangaben zu finden sein werden.

Berlin

„In Berlin sorgen neun Wasserwerke [sechs im Westen, entlang der Havel, und drei im Südosten, im Einzugsbereich der Spree] und Leitungen mit einer Länge von etwa 7.900 Kilometern dafür, dass das Trinkwasser uneingeschränkt zur Verfügung steht. Aus (…) rund 650 Brunnen, die bis zu 140 Meter tief sind, [wird] das (…) Grundwasser zunächst in eines [der] neun Wasserwerke [geleitet].“ Nach der Aufbereitung und Speicherung in Reinwasserbehältern werden Berliner Haushalte, Industrie und Gewerbe mit den täglich benötigten rund 546.000 Kubikmetern frischen Trinkwassers versorgt.

Die Berliner Wasserwerke kontrollieren die Qualität des Trinkwassers permanent beim Eingang in das und beim Ausgang aus dem Werk, somit auf dem Weg vom Brunnen zum Wasserwerk und direkt vor der Einspeisung in das Rohrleitungsnetz. Im weiteren Verlauf vom Wasserwerk zum Verbraucher werden einmal monatlich an ca. 125 im Stadtgebiet Berlin verteilten Rohrnetzkontrollstellen Proben entnommen. Diese Rohrnetzkontrollstellen können bspw. Altenheime, Kindergärten, Schulen sein. Die Proben werden zur Analyse in das Labor der Berliner Wasserbetriebe verbracht. 

Die Berliner „Wasser- und Zwischenpumpwerke sind durch ein (…) Netz von Transportleitungen verbunden. Von den Versorgungsleitungen zweigen rund 292 000 Hausanschlüsse ab“, über die Trinkwasser gezapft werden kann. 

Wasserwerke und Versorgungsgebiet in Hamburg
Abbildung 3: Hamburger Wasserwerke und Versorgungsgebiet
Quelle: HamburgWasser

Hamburg

„Trinkwasser ist das bestkontrollierte Lebensmittel. HAMBURG WASSER beprobt regelmäßig das Trinkwasser: im Bereich der Trinkwasserbrunnen, in den Wasserwerken und auch im Rohrnetz.“ Dadurch ist nach Angaben des Betreibers sichergestellt, „dass das (…) gelieferte Trinkwasser die strengen gesetzlichen Anforderungen (…) der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) (…) erfüllt.“ 

Trinkwasser ist ein unersetzliches Lebensmittel, welches durch  „außerordentlich [strenge] Qualitätsvorschriften“ regelmäßig auf die Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte untersucht werden muss. Diese „Qualitätsvorschriften betreffen sowohl die mikrobiologischen als auch die chemischen Untersuchungen sowie die dabei anzuwendenden Verfahren und die Analysenfrequenz“, soll heißen, eine unbeabsichtigte oder auch vorsätzliche Kontamination mit chemischen und/oder biologischen Substanzen (um den Begriff „Kampfstoffe“ zu vermeiden) wird im Rahmen dieser Untersuchungen erkannt werden können.

Die Hamburger Wasserwerke beschränken „sich nicht nur auf die Qualitätskontrolle am Werksausgang“, sondern „alle der mehr als 450 genutzten Förderbrunnen [werden] regelmäßig untersucht [,] mindestens einmal pro Jahr mit einer Vollanalyse“. Im weiteren Verlauf wird die „Aufbereitung des Rohwassers in den 17 Wasserwerken (…) täglich mindestens einmal überwacht“, mit einer Fokussierung der Untersuchungen „vor allem auf die Mikrobiologie“.

Ähnlich wie in Berlin, hat auch Hamburg bei einem Rohrnetz von 5 500 Kilometern „über 200 Messstellen innerhalb von Gebäuden (…) über das ganze Stadtgebiet verteilt“, so dass auch hier die „mikrobiologisch-chemischen Kontrollen (…) monatlich“ erfolgen können. Nach Angaben des Betreibers ist das „Wasserlabor der HWW [eines der] größten und bestausgerüsteten Wasserlaboratorien in der Bundesrepublik“ und „nach DIN/EN ISO 17025 akkreditiert.“

Sowohl in Berlin als auch in Hamburg wird über dem System AquaBioTox ähnliche Apparaturen eine permanente Qualitätskontrolle und Überprüfung auf Verunreinigungen durchgeführt.

Fazit

All diese beschriebenen Sicherheitsmechanismen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl die Manager der Wasserbetriebe als auch die Öffentlichkeit sich der Gefahr, dass Terroristen Wassersysteme als Anschlagsziel identifizieren und nutzen könnten, nicht ausreichend bewusst sind. Mit ein wenig Sach- und Fachkenntnis sowie Zugang zu entsprechenden chemischen und/oder biologischen Substanzen (einige Beispiele wurden vorstehend genannt) besteht eine reale Gefahr, dass Terroristen oder Saboteure, aus welcher Motivation heraus auch immer, die Trinkwasserversorgung einer Großstadt in Teilen bzw. einer Kleinstadt in Gänze derart beeinträchtigen, dass das Trinkwasser zumindest mittelfristig kontaminiert sein wird. 

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