22.11.2022 •

Üben für den Ernstfall bei Extremwetter

Ob Hitzewellen, Starkregen-Katastrophen oder Dürren – im Zuge der Klimakrise werden Extremwetterereignisse zunehmend häufiger und heftiger, auch in Hessen. Da wir mit den Auswirkungen bis weit ins nächste Jahrhundert zu kämpfen haben werden, bereitet das Land Hessen sich schon jetzt auf diese künftigen Herausforderungen vor.

„Wir müssen den Tatsachen ins Gesicht sehen: Die Klimakrise hat uns fest im Griff! Erneut gab es diesen Sommer Hitzerekorde in Hessen. Die heißen Temperaturen haben uns Menschen zugesetzt. Felder und Wälder haben unter der Trockenheit gelitten. Aber auch die Überflutungen letztes Jahr im Ahrtal sind eine Auswirkung der Klimakrise. Krisenvorbereitung ist daher das Gebot der Stunde, um die Menschen zu schützen und Hessen krisensicher aufzustellen“

berichtet Klimaschutzministerin Priska Hinz.

Nach den erfolgreichen KLIMPRAX-Projekten („Klimawandel in der Praxis“) zum Thema Stadtklima und Starkregen hat das Fachzentrum Klimawandel und Anpassung am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) nun ein neues KLIMPRAX-Projekt ins Leben gerufen, das auf den Schutz kritischer Infrastrukturen abzielt: Das Projekt KLIMPRAX Krisenvorbereitung, das am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wiesbaden vorgestellt wurde.

„Es geht darum, das sensible Netzwerk kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zusammen mit den hessischen Behörden fit zu machen für kommende Wetterextreme,“ so HLNUG-Präsident Prof. Dr. Thomas Schmid. „Wir alle haben erlebt, welch katastrophales Ausmaß extremes Wetter annehmen kann, und es kann noch schlimmer kommen. Darauf sollten und müssen wir uns vorbereiten, damit wir im Ernstfall gewappnet sind.“

Ziel des Projekts ist es, Lücken im Zusammenspiel aller Beteiligten zu identifizieren, so genannte Kaskadeneffekte vorauszusehen sowie Abläufe und Verantwortlichkeiten zwischen Verwaltungsstäben und den Betreibern von Kritischen Infrastrukturen zu verbessern. Dafür wird es im Verlauf des Projekts eine Serie von Übungen geben, bei denen die Betreiber solcher Infrastrukturen gemeinsam mit den Landesbehörden den Ernstfall proben.

Startschuss für das Projekt KLIMPRAX Krisenvorbereitung

Ein landesweites Seminar gibt am kommenden Montag (14. November 2022) den Startschuss für das Projekt KLIMPRAX Krisenvorbereitung. Ab dem Frühjahr 2023 übt das HLNUG dann gemeinsam mit den hessischen Regierungspräsidien und KRITIS-Betreibern Krisenszenarien, welche aus Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Starkregen oder Schneekatastrophen resultieren können. Insgesamt sollen in der Projektlaufzeit bis 2025 drei Extremwetterszenarien (Hitze & Dürre, Starkregen, Schnee & Sturm) in allen drei Regierungspräsidien zusammen mit je einem Landkreis geübt werden. Indem sich die Verantwortlichen besser kennenlernen („In Krisen Köpfe kennen“ = 3K-Regel), können Zuständigkeiten, Kompetenzen und Abläufe im Vorhinein geklärt werden, um im Krisenfall die Reaktionszeit zu verbessern.

Krisenvorbereitung geht nur gemeinsam

Begleitet wird das Projekt durch das Hessische Innenministerium (HMDIS), die Hessische Landesfeuerwehrschule (HLFS) sowie von den für KRITIS fachlich zuständigen Ministerien (HMUKLV, HMWEVW, HMSI, HMinD und HKM). Darüber hinaus gibt es weitere Projektpartner, etwa die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, den Landesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Hessen/Rheinland-Pfalz e V., die Deutsche Telekom AG, die Merck KGaA, die oberen und unteren Katastrophenschutzbehörden, aber auch das LOEWE-Zentrum emergenCity. Gemeinsam mit den KRITIS-Betreibern bereitet sich die hessische Landesverwaltung so auf bevorstehende Krisenszenarien vor, um auch in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels handlungsfähig zu bleiben. Die aus den Übungen erlangten Erfahrungen und Erkenntnisse werden anschließend in Handlungsleitfäden, Checklisten oder Steckbriefen für kommunale Entscheidungsträger, KRITIS-Betreiber und die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Hintergrund

KRITIS bildet das Nervensystem unserer modernen Gesellschaft ab, ihm kommt für die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Funktionen wie Gesundheit, Sicherheit und das wirtschaftliche sowie soziale Wohlergehen der Bevölkerung essentielle Bedeutung zu. Störungen oder Ausfälle von KRITIS haben erhebliche Auswirkungen auf unser aller Leben – von (Grund-) Versorgungseinschränkungen über Störungen des Gemein- und Wirtschaftswesens bis hin zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Die menschengemachte Klimakrise verändert die Gefahren- und Schadenslagen für Mensch und Umwelt. Extremwetterereignisse können Kritische Infrastrukturen wie Versorgungsnetze und -einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen unterbrechen oder beschädigen. Dies kann zu einer Eskalationskaskade führen. Die Erfahrung zeigt, dass die teils unerwarteten Kaskadenwirkungen von Extremwetterereignissen sowie die gegenseitige Abhängigkeit von Kritischen Infrastrukturen immer wieder selbst Expertinnen und Experten aus den Krisen- und Verwaltungsstäben vor Herausforderungen stellen.

Deswegen muss das Land Hessen sein Risikomanagement anpassen, da den Herausforderungen nur mit gesamtstaatlichen Maßnahmen begegnet werden kann. Aber auch KRITIS-Betreiber, etwa von Versorgungsnetzen und -einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, stehen in der Verantwortung, sich an die neuen Gefahren anzupassen. Neben präventiven Maßnahmen, welche verhindern, dass ein Extremwetterereignis überhaupt Schaden anrichtet bzw. zu Störungen und Ausfällen von KRITIS führt, gehört auch, dass sich die hessische Landesverwaltung und hessische Kommunen und Landkreise auf den Eintritt solcher Krisen und Schadenslagen einstellen. Das Zusammenspiel von KRITIS sowie deren gegenseitige Abhängigkeiten zusammen mit dem behördlichen Krisenmanagement stellt die handelnden Akteure in Krisenzeiten vor komplexe Aufgaben. Übungen wie die im Projekt KLIMPRAX Krisenvorbereitung helfen daher, Verfahren der Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Behörden und KRITIS-Betreibern zu verbessern – zum Beispiel, indem vorhandene Krisenpläne und Stabs-/Koordinationsstrukturen besser miteinander verzahnt werden. Dies erhöht die Resilienz von KRITIS und damit die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung in Krisenzeiten.

Maßnahmen zur Anpassung von Städten an die Hitze im Sommer sowie Instrumente zur Vorbeugung von Starkregenereignissen wurden bereits in den vergangenen Jahren im Rahmen von KLIMPRAX Stadtklima und KLIMPRAX Starkregen entwickelt. Besonders die kommunalen Fließpfadkarten sind stark nachgefragt und wurden inzwischen von 275 Kommunen beantragt. Diese Karten visualisieren Abflusswege und bieten eine erste Einschätzung darüber, welche Gebiete innerhalb einer Gemeinde bei Starkregen gefährdet sind. Stadtplaner, Straßenplaner, Grünflächenplaner, Gebäudeplaner und Grundstückseigentümer bekommen so konkrete Hinweise auf Gefahrenpunkte durch Sturzfluten.


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