Im Rahmen der diesjährigen Düsseldorfer Messe für Arbeitsschutz A+A veranstaltete CRISIS PREVENTION ein Forum für den Eigenschutz der Einsatz- und Rettungskräfte. Das Symposium stieß auf großes Interesse – kein Wunder, wo doch Angriffe und Gefahren im Einsatz seit Jahren zunehmen und immer mehr zur Belastung für die werden, die anderen helfen. Mehr als 50 Teilnehmer verfolgten konzentriert die Vorträge namhafter Experten, die der Verlag gewinnen konnte.
Zu Beginn setzte Frau Dr. Dagmar Arndt wissenschaftliche Akzente mit ihrem Bericht über eine Längsschnittstudie zu den psychischen Belastungen und deren Folgen für die Einsatzkräfte. Dr. Dagmar Arndt kommt wie alle Referenten dieses Forums aus der Praxis: Sie ist gelernte Krankenpflegerin und Gesundheitswirtin, arbeitete dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einschlägigen Magdeburger Forschungsprojekten und vertritt heute die Professur für Gesundheitswissenschaften an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Die von ihr präsentierte Studie berichtet z.B., dass ca. 60% der Einsatzkräfte der Polizei angibt, unter traumatischen Folgen insbesondere nach Unfällen mit Schwerverletzten oder Kindern, nach Großschadenslagen und vor allem nach Angriffen auf die eigene Person zu leiden.
Das muss nachdenklich stimmen, auch wenn nur ca. 6% aller untersuchten Einsatzkräfte vollausgeprägte posttraumatische Belastungsstörungen behandeln lassen.
Erfahrungsgemäß kommen traumatisierte Einsatzkräfte zu selten zur professionellen Nachsorge. Die meisten scheinen mehr oder weniger selbst mit den Folgen fertig zu werden, wobei es unklar ist, wie sich solche Störungen über lange Zeit auf die Betroffenen auswirken, wie stark sie beispielsweise ursächlich sind für spätere Burnout-Erscheinungen.
Markus Häfner referierte anschließend über einen interessanten Denkansatz, der bereits in Mainz von Einsatzorganisationen praktiziert wird: das Mainzer Phasenmodell. Häfner ist Rettungssanitäter und Referent für Katastrophenschutz des Malteser Hilfsdienstes und leitete dort zahlreiche Sanitätsdienste bei Großveranstaltungen. Das von ihm federführend entwickelte Phasenmodell ist ein Weg, auf unerwartete Ausweitungen von Schadenslagen wesentlich flexibler zu reagieren.
Es beschreibt 4 Phasen einer möglichen Reaktion von Rettungskräften und versieht sie mit Farbcodierungen: Stufe Grün = Normaler Dienst, Stufe Gelb = Wachsamkeit erhöhen, Stufe Rot = Schutz suchen, Stufe Schwarz = schneller Rückzug. Auf diese Weise kann der Einsatzleiter mit standardisierten Einschätzungen auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren, ohne sie umständlich zu beschreiben, und alle wissen, welche Maßnahmen zum Eigenschutz eingeleitet werden sollen. Die Situationen können in Übungen vor Ort durchgespielt und die Reaktionsweisen automatisiert werden.
Der nächste Referent Oliver Heß war eingeladen worden wegen seiner Expertise mit Bodycams im Polizeidienst. Er ist Polizeibeamter seit 1996 und hat viele einschlägige Positionen durchlaufen: Einsatzbeamter der Bereitschaftspolizei und Personenschutzgruppe, Streifenbeamter, Dienstgruppenleiter, Leiter im Führungs- und Lagedienst im Polizeipräsidium Frankfurt/M., wo er heute als Leiter Soziale Medien tätig ist. Oliver Heß war Initiator des Frankfurter Pilotprojektes Bodycam, das 2012 startete und begleitet es seitdem bei der strategischen Weiterentwicklung, Taktik und Schulung. Er ermöglichte dem Publikum seltene Einblicke in den Alltag von Polizeibeamten, indem er Ausschnitte aus Filmdokumenten zeigte, die von getragenen Bodycams bei Angriffen auf Beamten stammten.
Schnell wurde klar: Der Nutzen dieser Einrichtung besteht zweifelsfrei und ist groß. Sobald die Angreifer darauf aufmerksam wurden, dass ihre Aktionen von den Kameras erfasst wurden, änderte sich ihr Verhalten, und die Situationen wurden mehrheitlich entschärft. Dasselbe gilt für falsche oder verzerrte Anschuldigungen – auf beiden Seiten! -, eine mitlaufende Bodycam trägt in jedem Falle dazu bei, zu deeskalieren und die Situation später klarer analysieren zu können.
Der abschließende Vortrag von Jörg Spors beleuchtete einen anders gearteten, ebenfalls wichtigen Aspekt der Bedrohung von Einsatzkräften, der häufig nicht ausreichend beachtet wird: den mangelnden Schutz vor Infektionen. Spors ist seit 30 Jahren bei der Berufsfeuerwehr Essen, wo er seit fast zwei Jahrzehnten als Hygienefachmann und Sachbearbeiter für die Analytische Task Force Biologie arbeitet.
Seine Erfahrung auf diesem Gebiet zog zahlreiche Funktionen nach sich: Dozent für die Essener Feuerwehr-Lehranstalt für Desinfektoren, Leiter der Sektion Hygiene bei Krankentransport, Rettungsdienst, Feuerwehr und Katastrophenfällen für die Deutsche Gesellschaft für Krankenhygiene und – sehr exotisch – seine Arbeit für das Mongolian Emergency Service Hospital Project, das ihm häufige Besuche in der Mongolei beschert.
Spors wies auf viele Probleme und Fehler hin, die auf seinem Fachgebiert gemacht werden können. Schon die Anschaffung von PSA ist oft nicht durchdacht oder praxisfremd. Häufig wird die Ausrüstung nicht in Trockenübungen vor dem Einsatz getestet, oder es erfolgt keine persönliche Zuweisung, um sicher zu gehen, dass Schutzkleidung oder Atemschutzgeräte auch individuell angepasst sind – nicht jede Konfektionsgröße harmoniert mit den unterschiedlichen Anforderungen der Einsatzkräfte.
Schon weit vor dem Ernstfall muss feststehen, ob die PSA auch unter den Bedingungen der Einsätze taugt, denn dann ist es zu spät, um Mängel zu beseitigen.
Spors empfiehlt, in der angelegten Schutzausrüstung rechtzeitige praxisnahe Übungen: Kann die Einsatzkraft damit knieen, ohne die Hose zu durchlöchern, kann er auch unter Belastung ausreichend atmen? Wie lange ist die PSA bereits gelagert, und wo wurde sie gelagert, wurden Schäden dabei vermieden? Und nicht zuletzt: Besteht überhaupt ein ausreichender Impfschutz bei den Einsatzkräften? Faszinierend war sein Wissen aus langen Jahren der Berufspraxis, und ebenso schlug er das Publikum mit seinem Humor in den Bann, der für eine hohen Unterhaltungswert seines Vortrages sorgte.
Zum Abschluss konnte das interessierte Publikum an einer Führung über die Messe teilnehmen, bei der CP-Objektleiter André Birr den Kontakt zu Experten aus der Industrie an ausgewählten Ständen herstellte.
Crisis Prevention
Fotos: Barbara Frommann