Geologie im Einsatz

Interview mit dem Kommandeur des Zentrums für ­Geoinformationswesen der Bundeswehr in Euskirchen

Hans-Herbert Schulz

ZGeoBwPressearbeit

Das Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBw) verfügt über Fähigkeiten, die einzigartig für die Bundeswehr und derzeit auch sehr gefragt sind. Im Gespräch mit CP schildert der Kommandeur, Brigadegeneral Roland Brunner, die aktuellen Einsätze in Meppen und in Mali.

CP: 

Herr Brunner, wie unterstützen ihre Geologen im Rahmen der unmittelbaren „GeoInfo-Unterstützung“ im In- und Ausland die Einsätze der Bundeswehr? Wird der Geologenhammer getreu dem Motto der Einsatzgeologen mente et malleo (mit Geist und Hammer) noch gebraucht, oder ist man auch in diesem Bereich schon ausschließlich mit digitaler Ausstattung unterwegs?



ROLAND BRUNNER: 

Der Einsatz in Meppen hat gezeigt, dass eine der Lage angepasste Kombination von traditionellen Methoden, wie z. B. Spaten und Bohrgerät, mit modernen Möglichkeiten wie GPS, Wärmebildauswertungen und GIS-gestützte Auswertung benötigt wird, um ein möglichst umfassendes Lagebild zu ermitteln und dem Kommandeur im Einsatz gezielt die kritischen Informationen zu liefern, die er für seine Entscheidungen braucht. Unsere Ausstattung an elektrischen Messgeräten und elektronischer bzw. datentechnischer Auswertung ist etwas, was in der Bundeswehr einmalig ist.



CP: 

Wie kam es zu der Unterstützungsleistung der Einsatzgeologie in Meppen, und welche Erkenntnisse konnte sie gewinnen?



ROLAND BRUNNER: 

Wir sind nicht von Anfang an gefordert gewesen. Aber als der Regimentskommandeur des bei der Bekämpfung des Moorbrandes eingesetzten Pionierregiments festgestellt hat, dass er mit den Feuerwehrkräften alleine den Brand nicht in den Griff bekommen würde, hat er sich darauf besonnen, dass wir im ZGeoBw entsprechende Geologen haben, die weiterhelfen können. Schließlich hatten wir ja auch schon in der Vergangenheit in Einsätzen eine enge Zusammenarbeit bei unterschiedlichsten Fragestellungen praktiziert. Wir wussten also, dass sich unsere Fähigkeiten umfassend ergänzen. 

Da war zwar bis dahin kein Moorbrand dabei, aber der Kommandeur wusste, dass wir über entsprechendes Bohrgerät verfügen, dass wir entsprechende GeoInfo-Beratung bereitstellen, die Ergebnisse in einem GIS-System zusammenfassen und so auch eindeutig die Lage auf einem Kartenhintergrund mit den genauen Koordinaten darstellen können. Das ergibt eine hervorragende Unterlage bzw. Grundlage für weitere Entscheidungen. 

In Meppen galt es nun, als wesentliche Leistung der GeoInfo-Beratung den Charakter und insbesondere die Ausbreitung der Brände in der Tiefe des Torfes festzustellen. Hier konnte durch zahlreiche Erkundungen, die Anlage von Gräben und Bohrungen sowie durch eine Befliegung mit einer CH-53 durch die Geologen festgestellt werden, dass alle Brände in den obersten 20 bis 40 cm stattgefunden haben. Die potentielle Gefahr, dass eine unterirdische Ausbreitung der Brände z. B. unter den Wassergräben hindurch in die angrenzenden Wälder möglich sei, konnte durch diese Erkenntnis ausgeschlossen werden. Solche verlässlichen, durch GeoInfo-Fachpersonal fundiert geprüften Aussagen, ermöglichen dann eine klare Lagefeststellung und Entscheidungsfindung.



CP: 

Ihre Einsatzgeologen konnten Aussagen über die Verbreitung der Schwelbrände treffen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Entscheidungsfindung vor Ort beitragen. Haben sie weitere Unterstützungsleistungen vor Ort oder als Reachback erbracht?



ROLAND BRUNNER: 

Die GIS-Spezialisten der Raumanalyse haben eine umfassende Unterstützung durch die Produktion von Karten und Auswertungen geliefert. Dabei wurden die von allen Beteiligten zur Verfügung gestellten topographischen, geologischen und moorkundlichen Karten, Luftbilder, Befliegungsauswertungen und Brandmeldungen durch das Geländeanalyseteam (Terrain Analysis Team) aufbereitet und zu einem klaren Lagebild für das Lagezentrum zusammengeführt. 

Dabei kam es darauf an, die wesentlichen Informationen mit einem räumlichen Bezug, also auf einer Kartengrundlage, eindeutig darzustellen und zu vermitteln. Das Lagezentrum war der Gefechtsstand des Pionierregiments, an den die Informationen direkt geflossen sind. Teilweise wurden auch Informationen direkt an die in diesem Fall vorgesetzte Dienststelle, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) weitergegeben. Dieses Amt hat die Verantwortung für Liegenschaften und Maßnahmen zum Schutz der Liegenschaften.



CP:

Der Vorfall und die Folgen des Moorbrandes in Meppen sind auch für die Einsatzgeologen eine außergewöhnliche Aufgabe. Dabei ging es um Brände in vielleicht 30 oder 40 cm Tiefe. In Mali ging es aber offensichtlich für Sie darum, in einer Wüstenregion Trinkwasser zu finden. Das heißt, Sie müssen in Tiefen beim Proben oder beim Messen vordringen, die ja im Emsland überhaupt nicht vorgekommen sind. Sind trotzdem die Methoden, die Verfahren und das Gerät die gleichen?

Roland Brunner (links) beim Interview durch CP-Redakteur Hans-Herbert Schulz.
Roland Brunner (links) beim Interview durch CP-Redakteur Hans-Herbert
Schulz.
Quelle: Bundeswehr



ROLAND BRUNNER: 

Das Handwerkzeug der erfahrenen Geologen ist prinzipiell das Gleiche. Aber es kommt immer auf die jeweiligen Fragestellungen an. In Mali sind richtig tiefe Bohrungen nötig gewesen. Daher wurden neben den in Meppen durchgeführten bodenkundlichen und geologischen Untersuchungen auch ganz andere Fähigkeiten gefordert. Im Raum Gao wurden im Schwerpunkt hydrogeologische Untersuchungen u. a. mit geophysikalischen Methoden zur Tiefenerkundung von Grundwasser durchgeführt. Dabei kam es darauf an festzustellen, in welcher Tiefe tatsächlich wasserleitende Schichten vorhanden sind, wie die Schichtungsverhältnisse sind, um dann schließlich Brunnen zur Trinkwassergewinnung für die Hilfskontingente zu schaffen. Da man in Wüstenregionen nicht ohne Weiteres grundwasserführende Schicht finden kann, die genügend Grundwasser liefern, war es nötig, mit einer sogenannten Kaskadenbohrung mehrere, in verschiedenen Tiefen liegende Grundwasser führende Schichten zu finden, die man gemeinsam nutzen kann, um ausreichend Wasser zu gewinnen. 

In der praktischen Durchführung, also beim Bohren von mehrere hundert Meter tiefen Bohrlöchern, haben wir uns in Mali ausnahmsweise ziviler Unterstützungsleistungen bedient. Und noch ein Hinweis vielleicht zu der Problematik, dass wir bei Brunnenbohrungen im Einsatzgebiet natürlich deutsche Vorschriften einhalten müssen. Nicht nur deutsche Vorschriften sind einzuhalten, sondern auch und vor allem Vorschriften der Vereinigten Nationen; denn die Vereinten Nationen wollen sicherstellen, dass durch solch einen Einsatz von Streitkräften in Mali nicht die Grundwasserversorgung des Landes gefährdet wird. Deshalb waren sehr enge Vorgaben einzuhalten, was ich für sehr sinnvoll halte.


 

CP: 

Das würde ja auch bedeuten, dass, wenn Ihre Arbeit erfolgreich und auf Dauer angelegt ist, Sie einen echten Beitrag zur Entwicklungshilfe im Land leisten.

 


ROLAND BRUNNER: 

Das wird es sicherlich werden, letztendlich, wenn die derzeitigen Streitkräfte, die dort unten eingesetzt sind, das Land wieder verlassen. Dann gibt es am Ende eine Übergabe der Infrastruktur, die genutzt wurde, einschließlich der Brunnen. Die gehen dann an den Staat, werden mit einer sog. Environmental Study, die von uns mit erstellt wird, an das Land übergeben, so dass alles, was wir dort gemacht haben, dokumentiert ist und auch klar ist, wie viel Wassermenge vorhanden ist und in welcher Wasserqualität, welche sonstigen Einflüsse wir auf die Umwelt durch den Einsatz von Streitkräften oder durch den Betrieb eines Lagers dort in Mali hatten.


 

CP: 

Ihre Experten waren Monate mit der Suche nach Trinkwasser beschäftigt. Wie stellten sich die Gegebenheiten in der Wüstenregion dar, und was waren die größten Herausforderungen?



ROLAND BRUNNER: 

Die klimatischen Anforderungen an Personal und Material sowie die lange Einsatzzeit waren in Mali eine besonders hohe Belastung. Der Wassermangel stellte aber auch ein Problem bei der Wassererschließung dar. Um Brunnen zu bohren, benötigt man eine nicht unerhebliche Menge Wasser. Die Herausforderungen, wissenschaftlich fundiert, einen Grundwasserleiter mit geeigneten Filterstrecken, einer ausreichenden Fördermenge unter Einhaltung deutscher Vorschriften und UN-Vorgaben in der Wüste zu erschließen waren hoch, konnten aber trotz der widrigen Umstände gemeistert werden.

Am Ende liegt der Erfolg einer geologischen Untersuchung und der entsprechenden Bewertung natürlich nicht nur an der technischen Ausstattung, sondern im Wesentlichen an der geologischen Fachexpertise und Erfahrung der Geologen. Wir haben eine gute Personalausstattung, aber unsere Einsatzgeologen brauchen immer wieder Erfahrungen in den Einsatzräumen der Bundeswehr, aber auch ständige Übungen in Deutschland.


 

CP: 

Im Kosovo wurde jüngst das deutsche Feldlager in Prizren an die kosovarische Regierung übergeben. Ist die Einsatzgeologie in diesen Prozess der Übergabe auch involviert?

 


ROLAND BRUNNER: 

Ja, im Rahmen der Übergabe der Liegenschaften wurde auch hier eine „Environmental Close-out Study“ gemäß den NATO-Vorschriften zu Umweltakten erstellt. Mit Hilfe von vor Ort erhobenen umweltgeologischen Untersuchungen und Probenahmen wurde sichergestellt, dass der Zustand der durch die Bundeswehr genutzten Flächen dokumentiert wird.


 

CP: 

Ein arbeitsreiches Jahr liegt hinter Ihnen und Ihren Leuten: wie schätzen Sie den zukünftigen Bedarf unmittelbarer GeoInfo-Unterstützung durch Ihre Geologen ein?

 


ROLAND BRUNNER: 

Auch künftig stehen die routinemäßigen Brunnenregenerationen in Afghanistan und Mali an. Aber auch die ingenieurgeologischen und umweltgeologischen Fragestellungen in allen Einsatzräumen der Bundeswehr sind weiterhin durch die GeoInfo-Unterstützung zu gewährleisten. Generell bin ich der Überzeugung, dass die Fähigkeiten des Geoinformationsdienstes auch in Zukunft für die Bundeswehr von entscheidender Bedeutung sind. Gerade was die Einsätze angeht, sind die Fähigkeiten unserer Geologen notwendig. 

Die Bundeswehr erhält dadurch eine eigene Reaktionsfähigkeit auf entsprechende Bedarfe. Sollte die nicht vorhanden sein, wird es für viele dieser Aufgaben, die wir mit unseren Geologen heute wahrnehmen, schwer sein, kurzfristig und mit dem fachlichen Knowhow die entsprechende Fähigkeit auf dem freien Markt zu bekommen. Das gilt nicht nur für Einsätze im Ausland, sondern subsidiär, wenn nötig, und wenn wir angefordert werden durch die zuständigen Behörden, auch für entsprechende Einsätze in Deutschland. Kurzum, auch künftig ist eine hohe Flexibilität und Einsatzbereitschaft unserer GeoInfo-Kräfte gefordert.


 

CP: 

Herr General Brunner, wir danken Ihnen, dass Sie uns erneut für dieses aktuelle Gespräch zur Verfügung standen. 

Verwandte Artikel

Heimatschutz durch künstliche Intelligenz

Heimatschutz durch künstliche Intelligenz

Durch Corona steht die Amtshilfe der Bundeswehr wieder besonders im Fokus. Ob bei Naturkatastrophen oder unter Terrorbedrohung: Das Aufgabenspektrum ist breit – und es wächst. Das gilt auch für die Menge an Daten und Informationen.

Was beschäftigt die „Helfenden Händen“ im Organisationsbereich CIR?

Was beschäftigt die „Helfenden Händen“ im Organisationsbereich CIR?

Über 700 eingesetzte Soldatinnen und Soldaten in derzeitig 67 laufenden Amtshilfeeinsätzen – die Angehörigen des Organisationsbereichs CIR leisten in der Bekämpfung der Pandemie Erstaunliches. Neben ihren Kernaufträgen als IT-Spezialisten, in...

Aktion Pfötchen - Kronkorken für einen guten Zweck

Aktion Pfötchen - Kronkorken für einen guten Zweck

Insgesamt 1,2 Tonnen Kronkorken haben engagierte Soldaten und Zivilisten in und um den Bundeswehrstandort Munster gesammelt. Der Erlös dieser Aktion geht an das Soldatenhilfswerk der Bundeswehr e.V.eingetragener Verein (SHW), das mit solchen...

: