In einem Projekt der Hochschule Landshut wurde ein Alarmierungssystem für den Einsatz im Rettungshubschrauber entwickelt. Durch die Verbesserung der akustischen Alarmgebung ist eine konzentriertere Patientenbetreuung möglich. Im Interview erklärt Prof. Guido Dietl, wie genau das System im Einsatz funktioniert.
CP: Wie kam es zu dem Projekt SafeAERIAL?
Prof. Guido Dietl: Die ADAC-Luftrettung kam auf die Hochschule Landshut zu und erkundigte sich, ob es möglich wäre, zur Lösung eines Problems ein Projekt zu starten. Im Zusammenschluss mit Projektpartnern, die u.a. Geräte im Kommunikationsbereich entwickeln, entstand so das Projekt SafeAERIAL.
CP: Wie genau funktioniert das so entstandene System - der Alarmhub?
Dietl: Der Alarmhub ist ein Gerät, das zwischen der Intercomanlage des Rettungshubschraubers und dem Helm der Besatzungsmitglieder eingefügt wird. Dabei besitzt jedes medizinische Besatzungsmitglied einen Alarmhub. Der Pilot und der Techniker müssen über die medizinische Lage nicht informiert werden, daher wird hier das Gerät auch nicht eingefügt. Die Ausgangssituation war so, dass wenn die Geräte einen optischen und akustischen Alarm sendeten, der akustische Alarm aufgrund des Lärmpegels im Hubschrauber häufig unterging. Die medizinischen Geräte sind nun über eine drahtlose Schnittstelle mit diesen Alarmhubs verbunden und Alarme der Geräte werden so an die medizinischen Besatzungsmitglieder übertragen.
CP: Wird zur Implementierung eine zusätzliche Ausstattung benötigt?
Dietl: Da nicht alle der medizinischen Geräte eine drahtlose Schnittstelle besitzen, wurde für diese Geräte jeweils ein spezieller Adapter entwickelt. Bei diesem Adapter wurde darauf geachtet, dass er einen geringen Wartungsaufwand hat. Damit ist gemeint, dass der Adapter seine Energie aus der Schnittstelle der Medizingeräte bezieht. Dieser Prozess nennt sich „energy harvesting“. Diese Energie wird dann verwendet, um die Informationen drahtlos an den Alarmhub zu übertragen. So reicht es, wenn die Batterie vom Alarmhub von Zeit zu Zeit gewechselt wird.
CP: Sind zur Verwendung des Alarmhubs im Einsatz sowie bei der Wartung des Systems Schulungen bzw. erweiterte Kenntnisse notwendig?
Dietl: Das Gerät wurde so entworfen, dass es einfach zu bedienen ist. Ein Projektpartner hat sich hier insbesondere mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle des Geräts und dessen Usability beschäftigt. Daher reicht eine kurze Erklärung der Funktionsweise, um es im Einsatz verwenden zu können.
CP: Wie liefen die Versuche in Zusammenarbeit mit einem Rettungsdienst ab?
Dietl: Wir haben mehrere Rettungseinsätze begleitet, um das Problem genau zu beobachten und im Einsatz Messungen durchzuführen, die es ermöglichten, Störungen zu identifizieren und das Gerät so anzupassen, dass diese beim Betrieb keine negativen Auswirkungen haben. So konnten wir feststellen, dass es nicht nur schwierig ist, den akustischen Alarm zu hören, sondern teilweise auch der optische Alarm aufgrund der verschachtelten Bauweise der Geräte nicht gut zu erkennen war. Bei den Messungen im Rettungshubschrauber haben wir die verschiedenen drahtlosen Kommunikationssysteme überprüft, um größere Interferenzen zu vermeiden. Schließlich wurde der Prototyp des Alarmhubs im Labor und im Rettungshubschrauber ausgiebig getestet.
Allerdings waren im Hubschrauber nur Bodentests möglich, da für den Betrieb im Flug eine Luftfahrtzulassung benötigt wird. Diese Tests werden nun im Anschluss an das Projekt noch durchgeführt.
CP: Was meinen Sie, wie lange dauert es noch bis Alarmhub im Einsatz genutzt werden kann?
Dietl: Dazu befinden wir uns zurzeit im Gespräch. Aber ich hoffe, dass es im Laufe des Jahres oder nächstes Jahr zum Einsatz kommen wird.
CP: Mit erfolgreichem Abschluss des Projektes: Wo sehen Sie noch weitere Entwicklungspotenziale für Technologien bei Rettungseinsätzen?
Dietl: Die verwendeten drahtlosen Schnittstellen zur Kommunikation der Medizingeräte mit dem Alarmhub könnten dahingehend optimiert werden, dass Störungen durch andere Kommunikationssysteme im Rettungshubschrauber ausgeschlossen sind. Der neue Mobilfunkstandard New Radio (5G) ist in diesem Punkt eine vielversprechende Alternative zur derzeit verwendeten Kommunikationsschnittstelle. Neben der internen Vernetzung der Medizingeräte und des Alarmhubs über 5G könnte damit auch eine Verbindung zum externen Mobilfunksystem hergestellt werden, um z. B. Patientendaten an das Krankenhaus schon vor dem Eintreffen zu übermitteln, um Verzögerungen aus organisatorischen Gründen zu vermeiden. Ein vereinheitlichter Kommunikationsstandard, der eine automatische Anbindung der Medizingeräte ohne Aktualisierungen an die verschiedenen Modelle ermöglicht, wäre ebenfalls von Vorteil.
Hochschule Landshut
Prof. Dr.-Ing. Guido Dietl
Communications Engineering
Am Lurzenhof 1
84036 Landshut