Dekontaminationsmaßnahme im Notfallplan

Der mobile „DeContainer“ des FLI

Sven Reiche, Steffen Ordowski, Mathias Herenz, Jens Peter Teifke

Julia Seh

Im Mittelpunkt der Arbeiten des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, stehen Gesundheit und Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere und der Schutz des Menschen vor von Tieren übertragenen Infektionen. Grundsätzliche Ziele der Forschungen des FLI sind demnach der Schutz vor Infektionskrankheiten durch eine zuverlässige und schnelle Diagnostik, die Erarbeitung von Maßnahmen zur Prävention sowie das Schaffen von Grundlagen für moderne Bekämpfungsstrategien bei Tierseuchen und Zoonosen. Diese Aufgaben des FLI sind in § 27 Tiergesundheitsgesetz (TierGesG), in § 14 der Tierimpfstoff-Verordnung sowie in § 16 Abs. 4 des Gentechnikgesetzes (GenTG) festgelegt.

Schematische Skizze des „DeContainer“
Schematische Skizze des „DeContainer“. A: Zugangsbereich vom Labor zum „DeContainer“; B: Desinfektionszone; C: Wartezone/Duschzone; D: Ablegezone.
Quelle: Julia Sehl

Wie in zahlreichen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen wird deshalb auch in den Laboratorien und Tierräumen des FLI mit krankheitserzeugenden (tier- und humanpathogenen), teilweise aber auch gentechnisch veränderten Organismen (GVO) der Risikogruppen (RG) 3 gearbeitet. Hierzu zählen Influenzaviren, SARS-CoV-2 oder Tuberkuloseerreger. Als Besonderheit gibt es am FLI mehrere Laboratorien und Großtierbereiche, in denen sogar Experimente mit Erregern der höchsten Risikoklasse „RG 4“ durchgeführt werden. Dies sind zum einen rein tierpathogene Viren, wie Maul-und-Klauenseuchevirus (MKSV), das Virus der afrikanischen Schweinepest (ASPV), aber auch Zoonoseerreger, wie Ebolavirus, Marburgvirus oder Lassaviren. 

Bei all diesen Tätigkeiten ist eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt niemals völlig auszuschließen. Das FLI muss aus diesem Grund alle erforderlichen proaktiven Sicherheitsmaßnahmen treffen, um Mensch, Tier und Umwelt vor negativen Auswirkungen bei nicht bestimmungsgemäßen Betriebszuständen zu schützen, und nimmt als Arbeitgeber auch aufgrund der Biostoffverordnung (BioStoffV) seine Verantwortung für die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden wahr. Hierfür müssen die dazu notwendigen Vorkehrungen und Maßnahmen umsichtig geplant, praktikabel getroffen und wirksam angewendet sowie regelmäßig geübt werden.

Dekontaminationsmaßnahmen im Notfallplan

Insbesondere hat der Arbeitgeber auf Grundlage der BioStoffV vor Aufnahme einer Tätigkeit der Schutzstufen 2 bis 4 die erforderlichen Maßnahmen festzulegen, die bei Betriebsstörungen oder Unfällen notwendig sind, um die Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und anderer Personen zu minimieren und den normalen Betriebsablauf wiederherzustellen. Je nach möglichen Szenarien und denkbaren Ereignissen sowie der beteiligten Biostoffe ist dabei insbesondere festzulegen, wie Maßnahmen zur Ersten Hilfe und weitergehende Hilfsmaßnahmen für Beschäftigte bei unfallbedingter Übertragung solcher Krankheitserreger Anwendung finden und welche Vorkehrungen getroffen werden, um eine Verschleppung von Biostoffen in die Außenwelt zu verhindern. Dazu zählen dann auch insbesondere für die Inaktivierung der jeweiligen Erreger wirksame Desinfektions- oder Dekontaminationsmaßnahmen.

Betreiber von gentechnischen Anlagen müssen darüber hinaus bei einem Notfall alle angemessenen Maßnahmen treffen, um das Austreten vermehrungsfähigen biologischen Materials aus der gentechnischen Anlage zu verhindern. Hierzu sind ebenfalls innerbetriebliche Notfallpläne (NFP) mit Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen und Betriebsstörungen vorzulegen, die durch außerbetriebliche Notfallpläne ergänzt werden können. In ihrer Gesamtheit regeln diese auch die behördliche Zusammenarbeit und legen die notwendigen Maßnahmen fest, die zur Bewältigung eines Unfallgeschehens mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) aber möglicherweise auch mit hochkontagiösen Tierseuchenerregern oder anderen humanpathogenen Biostoffen der Risikogruppen 3 und 4 notwendig sind.

Der Anhänger ist mit einem 230 V-Stromanschluss (A, roter Pfeil) und einer...
Der Anhänger ist mit einem 230 V-Stromanschluss (A, roter Pfeil) und
einer Wasserversorgung (A/B, weißer Pfeil) ausgestattet, die an einen
separaten „Warmwasserbereiter Hotbox 255“ für bis zu 3.000 L/h
angeschlossen ist. C: Um auf einen Stromausfall vorbereitet zu sein, ist
ein zusätzlicher elektrischer Stromerzeuger mit einem benzinbetriebenen Motor enthalten.
Quelle: Julia Sehl

Der störungsfreie Betrieb von Hochsicherheitseinrichtungen („high containment“) der mikrobiologischen Forschung hängt vor allem vom präzisen Zusammenspiel mehrerer komplexer technologischer Geräte ab. Insbesondere die Aufrechterhaltung eines konstanten Unterdrucks, die effektive thermische Inaktivierung von flüssigen und festen Abfällen und die Filtration der Abluft sind Schlüsselfaktoren, um eine unerwünschte Freisetzung von Infektionserregern zu vermeiden. Neben unerkannten technischen Ausfällen stellt nicht sachgerecht dekontaminiertes Material und Personal einen Hauptrisikofaktor für eine solche Freisetzung dar. Das Verlassen der Anlage während des bestimmungsgemäßen Betriebs erfordert die Dekontamination der benutzten persönlichen Schutzausrüstung (PSA) in chemischen Duschen, insbesondere wenn die primären Einschlussbereiche, d. h. mit Erregern belastete Großtierräume betreten wurden. Bei Notfalleinsätzen unter Bedingungen von BIO III, in denen externe Sicherheitsdienste wie Feuerwehr oder Rettungsmannschaften beteiligt sind, ist es nicht immer möglich, erprobte und als biosicher validierte Routineverfahren einzuhalten.

Zum einen erlauben die teils voluminöse Schutzausrüstung sowie möglicherweise erforderliches zusätzliches Gerät und die stets gebotenen Schnelligkeitsanforderungen keine standardisierten und im bestimmungsgemäßen Betrieb zwingend erforderlichen Zwangsduschprozeduren an den Containment-Grenzen der jeweiligen Gebäude. Auch erfordern möglicherweise mangelnde Ortskenntnisse in den jeweiligen Objekten sowie von den standardisierten Verfahrensabläufen abweichende Feuerwehrlaufkarten ein in allen BIO III-Laborbereichen einer Einrichtung gleichartiges Dekontaminationsregime im Einsatzfall. Andererseits können beispielsweise im Zusammenhang mit Brandbekämpfungsszenarien – seien es Fehlalarme oder Realbrände - die dann durch möglichen Ausfall einer automatisierten Gebäudeleittechnik nicht mehr geregelten Ausschleusungsprozesse (Personenduschen) nicht mehr stattfinden. Um trotzdem ein Infektionsrisiko des beteiligten Rettungs- und Dienstpersonals sowie eine Ausbreitung von Mikroorganismen an andere Orte zu vermeiden, ist ein geeignetes und effizientes Dekontaminationsverfahren für Personen („Dekon-P“) und Gerät („Dekon-G“) außerhalb des Sicherheitsbereiches erforderlich. Nur in äußerst seltenen Fällen wird man in dieser Ausgangslage auch die Notwendigkeit haben, einzelne verletzte Personen dekontaminieren zu müssen. Diese kann in dem hier vorgestellten Verfahren durch Mitbeteiligung von geschultem Unterstützungspersonal als modifizierte „Dekon P“ sichergestellt werden.

Dazu dürfen für die Desinfektion von Einsatzkleidung, Haut bzw. Wunden nur geeignete Desinfektionsmittel unter besonderen (veterinär)hygienischen Bedingungen verwendet werden. Folgend der Feuerwehrdienstvorschrift 500 (FwDV 500) haben die Einsatzkräfte bei Einsätzen in der Gefahrengruppe IIIB nach der Grobdekontamination der Schutzkleidung die gesamte Kleidung bei Verlassen des Gefahrenbereichs am Dekon-Platz abzulegen sowie anschließend die Hände, Gesicht, Haare und benetzte Hautstellen zu reinigen und zu desinfizieren. Insbesondere bei nicht mehr intakter Schutzkleidung (CSA) oder beim Vorgehen in Feuerschutzkleidung muss diese von den Rettungskräften sachgerecht im Schwarzbereich dekontaminiert und abgelegt werden, sodass dann in der Warmwasserdusche unbekleidet zu duschen ist. Die Anweisungen fachkundiger Personen vor Ort sind dabei zu beachten.

Mobiler Dekontaminationsanhänger

Um eine angemessene Dekontamination des in Notfällen involvierten Personals zu ermöglichen und damit ein Infektionsrisiko sowie eine ungewollte Ausbreitung der in der Einschlussbarriere gehandhabten Infektionserreger zu verhindern, hat das FLI in Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Greifswald einen mobilen Dekontaminationsanhänger ("DeContainer") entwickelt. Dieser ist seit 2017 im Einsatz.

Für die Größenkonfektionierung der Anhängerinnenräume und damit der Gesamtausmaße wurde durch Erfahrungen der Feuerwehr und durch Praxisversuche (Testaufbau) der für uneingeschränkte Bewegung (z. B. Spreizen der Arme und Beine) und wirksame flächendeckende Aufbringung von Dekontaminationsmittel der ungefähre Raumbedarf für einen Feuerwehrmann mit CSA und Atemschutz ermittelt. Der konzipierte mobile Dekontaminationsanhänger ermöglicht im Notfall eine sehr flexible, schnelle, effektive und bei Bedarf stromautarke Dekontamination evakuierter Mitarbeiter sowie der beteiligten externen Rettungsdienste mit nur geringen personellen Ressourcen auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen. 

Im Vergleich zu aufblasbaren Zelten bietet er eine wesentlich höhere Stabilität bei regelmäßigen Übungen und lässt sich einfacher und schneller durch 1 bis 2 versierte Personen in der Nähe des jeweiligen Notausgangs installieren. Selbst bei Regen kann so die zeitgerechte Benetzung mit Desinfektionsmittel über die gesamte Einwirkdauer sichergestellt werden. Da autark Warmwasser generiert werden kann, bietet er auch die Möglichkeit, evakuierte Mitarbeiter, die potenziell mit Hochrisiko-Tierpathogenen ohne zoonotisches Potenzial (z. B. MKS- oder ASP-Virus) kontaminiert sein können, abzuduschen, wenn keine dekontaminierbare PSA Verwendung gefunden hat oder diese im zu evakuierenden Bereich zurückgelassen wurde.

Der mobile DeContainer (A) ist durch Vorhänge in eine schmutzige oder schwarze...
Der mobile "DeContainer" (A) ist durch Vorhänge in eine schmutzige oder schwarze (C) und eine saubere oder weiße Seite (E) getrennt. Da das Dekontaminierungsteam keinen direkten Kontakt zur schmutzigen Seite (B, C) hat, ist keine Dekontaminierung des Teams selbst erforderlich.
Quelle: Julia Sehl

Bei dem konzipierten Anhänger handelt es sich um ein mit einem isolierten Kunststoffkoffer überbautes Tandemfahrwerk. Die Koffermaße betragen ca. L 6000 mm x B 2500 mm x H 2400 mm. Das Fahrwerk weist eine Zugdeichsel mit Stützrad und Kugelkupplung in einer Höhe von ca. 450 mm auf. Dach, Stirn- und Seitenwände bestehen aus 30 mm starkem glasfaserverstärktem Kunststoff oder Aluminium mit entsprechender Isolierschaumunterlage. Die rechte Seitenwand weist 2 Türen auf, wobei die heckseitige in den Schwarzbereich des Containers führt und die frontseitige das Personal aus dem Weißbereich des Anhängers entlässt. Beide Türöffnungen sind 1200 mm breit und 2000 mm hoch, die Türen selbst lassen sich in Position 90° und 180° feststellen. Zum sicheren Einstieg sind klappbare Stufen verbaut, die 300 mm breit sind und einen Stufenabstand von 180 mm besitzen. Zum Innenraum hin befinden sich an beiden Türöffnungen durchsichtige Streifenvorhänge aus Kunststofflamellen. Mittig in der Seitenwand findet sich ein Oberlichtfenster, das durch Schieben geöffnet werden kann.

Die Heckwand weist eine weitere gleichartige Türe mit Lamellenvorhang auf. Sie führt in einen Arbeitsraum von 1000 mm Tiefe, der durch ein großflächiges Fenster mit Handschuhen in Brust- und Kniehöhe im Sinne einer „Glove box“ zum Schwarzbereich hin abgetrennt ist. Weiterhin ist in diesem Arbeitsbereich ein Pumpenfass montiert, welches über Standardkupplung auf ein Bürstenwaschsystem mit Teleskopstiel und alternativ Sprühsystem verbunden werden kann. Auf diese Weise ist eine Durchführung notwendiger Desinfektionsmaßnahmen von betroffenem Personal in deren Brust- und Kniehöhe ohne direkten Kontakt bei dennoch guter Erreichbarkeit und ohne erhebliche Mobilitätsanforderungen für den zu Desinfizierenden möglich. 

Das im Heckbereich vorhandene Fenster erlaubt den im Weißbereich tätigen Helfern ohne weitere PSA, insbesondere ohne Atemschutz­ausrüstung (und ohne G26 Nachweispflicht) bei der Ausschleusung tätig zu sein. Im Schwarzbereich ist während des Einsprühvorganges eine großzifferige digitale Zeituhr ablesbar. Desinfektionsmittel sowie das im Duschbereich (ein mittig angeordneter Duschkopf an der Decke sowie Handbrause an der Trennwand) anfallende Waschwasser wird durch einen zentral gelegenen Abfluss nach außen abgeleitet und kann dort entweder aufgefangen (Storz-Kupplung) oder je nach Gegebenheiten und Gefährdungsbeurteilung abgeleitet werden. Die Zuführung von Kaltwasser erfolgt über einen auf Schlauchtrommel gelagerten Schlauch mit ¾ Zoll „Gardena“-Kupplung.

In der linken Seitenwand befinden sich 4 federentlastete Aluminiumrolltore von 1250 mm Breite, die jeweils 2 bis 3 variabel ausgeführte Auszüge mit jeweils 80 kg Traglast verschließen können.

Fazit

Wesentlicher Vorteil des „DeContainers“ ist als Folge der vereinheitlichten Abläufe eine im Alarmierungsfall erhöhte Handlungssicherheit für das FLI als Betreiber von Hochsicherheitslaboren der Kategorie BIO III bei gleichzeitig klar definierter Verfahrensweise für die Rettungskräfte und Feuerwehr. Die rasche Verfügbarkeit des stets einsatzbereiten Dekonanhängers erfordert nur geringe Personalabhängigkeit (Stärke 1-2 Personen), weil durch einfache, vorgegebene und leicht erlernbare Handgriffe ohne relevante Fehlermöglichkeiten kein spezifisches Fachwissen für den betriebsbereiten Aufbau erforderlich ist. Lediglich die jeweils frisch anzumischende Desinfektionslösung, das fallbezogene flächendeckende Aufbringen und die Unterstützung beim Ablegen von dekontaminierter Schutzkleidung ist dabei abzusichern.

Die Nutzung und Einbindung vorhandener Infrastruktur wie Strom, Wasser, Warmwasser und Abwasserableitung ist möglich, kann aber mit hoher Flexibilität durch autarke Mittel des „DeContainers“ je nach Einzelfallentscheidung ersetzt werden.

Zusammengefasst stellt der „DeContainer“ eine äußert pragmatische, alle rechtlichen Anforderungen zur Aufrechterhaltung der Biosicherheit bei nicht bestimmungsgemäßer Ausschleusung von Personen erfüllende Fahrzeugkonstruktion dar, die auch anderen „Störfallbetrieben“ anempfohlen werden kann, um in ihrem Notfallkonzept wirksame Maßnahmen zur Anwendung zu bringen.

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